Hundeschule Herzpfote

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Beratung und Begleitung im Alltag

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16.10.2023

Graue Schnauzen – ein Gespräch über Zeit, Geduld und Abschied

Wie bei allen Lebewesen verändern sich die Bedürfnisse unserer Hunde über die Jahre. Wenn die drei insieme Trainerinnen an einem Tisch sitzen und über das Älterwerden ihrer Vierbeiner sprechen, tragen sie einen beachtlichen Erfahrungsschatz zusammen. Dieser Text ist ein Kompass für alle Menschen, die einen alten Hund haben oder noch haben werden.

Der Herbst des Lebens

Wann habt ihr bemerkt, dass euer Hund alt geworden ist?

Andrea: «Meine Hunde waren irgendwann schneller erschöpft oder wollten morgens länger im Bettchen bleiben. Sie reagierten langsamer auf mich. Mein einer Senior mochte eines Tages nicht mehr so gerne spielen und schwimmen wie früher, seine Gewohnheiten veränderten sich. Manche Dinge schienen an Wichtigkeit zu verlieren – oder schlicht zu anstrengend zu werden.»

Claudia: «Stimmt, so hat es bei meinen Hunden auch angefangen: weniger Ausdauer, langsamer und ab und zu ein Stolpern. Ich kann nicht eine bestimmte Situation benennen, aber mein zehnjähriger Schäferrüde wurde mit den Jahren milder. Früher reagierte er reaktiv und laut auf andere Hunde. Heute will er sich nicht mehr aufregen, sondern ungestört an anderen vorbeilaufen.»

Marianne: «Ganz generell nimmt die Energie ab. Bei meinen Leonberger Senioren muss ich besonders auf den Bewegungsapparat achten. Das sind grosse und schwere Hunde. Sie sind mit der Zeit langsamer und steifer geworden. Ich nehme wahr, wann sie meine Unterstützung brauchen. Wenn sie beispielsweise beim Einsteigen ins Auto Hilfe benötigen, habe ich eine Rampe parat.»

Ein alter Hund wird am Kopf gestreichelt.
Die Bedürfnisse eines Körpers verändern sich im Laufe seines Lebens.

Wie verändern sich Hunde körperlich im Alter?

Claudia: «Den Bewegungsapparat haben wir ja bereits angesprochen: Sie werden langsamer, sind schneller erschöpft und brauchen mehr Ruhe. Meine eine Hündin, sie hatte schwarzes Fell, wurde irgendwann schneeweiss im Gesicht.»

Andrea: «Das Fell beginnt sich ganz generell zu verändern. Es wird dichter und struppiger. Manche ältere Hunde müssen regelmässig gebürstet werden, weil sie den Fellwechsel nicht mehr alleine schaffen. Einige Hunde sehen schlechter und regen sich über scheinbar harmlose Dinge auf, weil sie diese nicht mehr einschätzen können. Demenz und Hörschwäche werden oft mit Sturheit oder Bockigkeit verwechselt. ‹Er will nicht mehr› könnte auch bedeuten, dass er nicht mehr kann.»

Claudia: «Meine Hündin wurde gegen Ende ihres Lebens auch leicht dement. Sie lief in die falsche Richtung, wirkte immer öfters geistig abwesend oder überrascht von ihrer Umgebung.»

Marianne: «Genau wie bei meiner Hündin! Sie ist gerade in Abklärung. Der Rückruf klappt nicht mehr, sie schaut oft ziellos in die Luft und reagiert nicht auf meine Rufe. Wenn ich dann zu ihr hingehen und sie berrühre, erschreckt sie sich.»

Ein Hundekopf in schwarz-weiss.
Im Alter geht's nicht mehr so schnell wie früher, deshalb ist es wichtig, sich Zeit zu nehmen.

Und wie verändern sie sich in ihrem Verhalten?

Marianne: «Das ist sehr individuell. Mein ‹Hundeopa› ist beispielsweise sehr viel anhänglicher geworden und sucht intensiv meine Nähe. Der andere Senior hingegen wurde sturer und unabhängiger. Er macht mir unmissverständlich klar, wenn ihm etwas nicht passt.» (lacht)

Andrea: «Charakterzüge verstärken sich im Alter. Oft beobachte ich, dass Hunde alte Gewohnheiten aus ihrer Welpenzeit aufgreifen. Einer meiner Hunde hat in seiner Jugend Karton geschreddert, und als ganz alter Hund hat er damit wieder angefangen.»

Mehr Zeit im Alltag einplanen

Was bedeuten die neuen Bedürfnisse alter Hunde für unseren Umgang mit ihnen?

Claudia: «Auch hier gilt es, jeden Hund individuell zu betrachten. Meine Hündin reagierte zum Beispiel mit Stress auf abweichende Essenszeiten. Also gab es die Mahlzeiten fortan penibel pünktlich.»

Marianne: «Ältere Hunde sind weniger agil und können Routineveränderungen oft schlechter bewältigen. Meine reagieren mit Erbrechen, Durchfall oder Unruhe auf Abweichungen im Alltag. Das bedeutet für mich, mein Management anzupassen. Zusätzlich habe ich im Haus einiges verändert: Teppiche an rutschigen Stellen, orthopädische Hundebetten und weichere ‹Gstältli›, um Druckstellen oder Gelenkbeschwerden zu vermeiden.»

Andrea: «Manche Dinge werden nicht mehr besser, da hilft nur viel Zeit und Geduld. Wenn ein Hund inkontinent wird, geschieht das unbewusst. Da hilft kein Schimpfen. Gerade, wenn man selbst Stress hat und alles schnell und unkompliziert laufen soll, kann der Alltag anstrengend werden. Alte Hunde brauchen Rückzug, Ruhe und Sicherheit. Grössere Umstellungen wie Ferien können für den älteren Hund viel Stress bedeuten. Eine Weile keine grossen Pläne zu schmieden ist ein kleiner Preis im Vergleich dazu, was wir im Leben mit Hund gewinnen.»

Ein alter Hund wird in einer Tierarztpraxis untersucht.
Regelmässige gesundheitliche Check-ups zur Früherkennung von Erkrankungen machen im Alter Sinn.

Wie unterstützt ihr eure alten Hunde gesundheitlich?

Andrea: «Es gibt viele gute Zusätze für die kognitive Leistung oder Gelenke: CBD, MCT-Öle oder Ginkgo haben sich bei mir in der Praxis gut bewährt. Man muss ausprobieren, was dem jeweiligen Senior hilft. Ich würde es begrüssen, wenn ältere Hunde alle sechs bis zwölf Monate in einer Tierarztpraxis untersucht würden. Ein Blutbild kann Aufschluss darüber geben, wie es Organen wie Nieren oder Leber geht. Auch Tumore oder chronische Schmerzen – zum Beispiel durch Arthrose verursacht – werden von Laien oft erst spät erkannt. Regelmässige Check-ups helfen bei der Früherkennung.»

Claudia: «Ich habe die Fütterung angepasst, denn der Körper verbraucht weniger im Alter. Alte Hunde sollten nicht zu dick werden, sonst könnten Gelenke und Lebensdauer unter dem Gewicht leiden. Das ist nicht immer einfach durchzusetzen. Meine Seniorin vergass zum Beispiel öfters, dass sie vor fünf Minuten die letzte Mahlzeit hatte.»

Andrea: «Es gibt zahlreiche Therapieansätze, die älteren Hunden Lebensqualität schenken bzw. Energie zurückgeben können: Akupunktur, Osteopathie, Physiotherapie.»

Melde dich gerne bei Dr. med. vet. Andrea Meyer für ein gesundheitliches Check-up deines Hundes.

Trauerweiden vor einem Gebäude neben einem See.
«Mein Hund will beim Morgenspaziergang schon nach 10 Minuten umdrehen und nach Hause. Ich muss ihn jetzt immer anleinen.» Falscher Ansatz: Vielleicht zeigt der Hund deutlich, dass er die langen Spaziergänge am Morgen nicht mehr braucht.

Die Weisheit der Ergrauten

Was haben euch eure alten Hunde gelehrt?

Claudia: «Demut und Respekt. Es ist die Königsdisziplin in der Mensch-Hund-Bindung. Ich empfinde die Beziehung zu meinen alten Hunden als gereift und intensiv mit viel Tiefe und Nähe. Schenkt euch die Zeit mit eurem alten Hund, die ihr beide braucht. Alte Hunde strahlen etwas Besonderes aus, sie sind wertvoll.»

Marianne: «Ganz klar: Drei Gänge runterzuschalten. Mögen die Senioren heute nicht so weit laufen, machen wir eine kleinere Runde. Ich möchte die Tage mit ihnen geniessen. Jeden Abend sitzen wir zusammen und kuscheln – ganz in Ruhe.»

Andrea: «Sie haben mich gelehrt, geduldig und rücksichtsvoll zu sein, wenn es nicht mehr so schnell geht wie früher. Es ist traurig, wenn man Menschen spazieren sieht, zügig und ins Gespräch vertieft, und 40 Meter weiter hinten versucht ein alter Hund Schritt zu halten. Es ist wichtig, dass wir für ein neues Zusammenleben offen bleiben und alte Gewohnheiten loslassen können.»

Wie können alte Hunde von der Hundeschule profitieren?

Andrea: «Der Geruchssinn bleibt meist bis ins höchste Alter gut erhalten. Kleinere Fährten können einem alten Hund noch viel Freude bereiten.»

Marianne: «Genau. Mit einer angereicherten Umgebung oder einer kurzen Personensuche kann man Nasenarbeit altersgerecht machen. Aber auch ein sozialer Spaziergang mit einem Welpen kann wunderbar funktionieren. Senior und Jungspund mögen beide nicht weit laufen. Der Ältere profitiert von der Neugierde und Lebensfreude des Jüngeren und ist gleichzeitig ein erfahrener Lehrer.»

Claudia: «Ich frage meine Kund:innen gerne, was ihrem Hund so richtig Freude bereitet. Hat er besondere Hunde- oder Menschenfreundschaften? Liebt er gewisse Aktivitäten oder Gegenden? Zusammen Geniessen und Spass haben steht im Vordergrund, ohne Leistungsgedanke unsererseits. Gleichzeitig dürfen wir den alten Hund nicht überfordern, sondern müssen abschätzen, wann genug ist.»

Interessiert an altersgerechten Hundeaktivitäten? Melde dich bei uns über das Kontaktformular.

Zwei Hände halten ein brennendes Teelicht (Kerze).

Trauer braucht Raum

Möchtet ihr zum Thema Abschied etwas sagen?

Claudia: «Alles was lebt, stirbt irgendwann. Wir sollten den Lauf des Lebens zelebrieren. Ein anderes Wesen lebenslang so nah begleiten zu dürfen, ist eine wunderbare Erfahrung. Es bedarf Reife und innerer Grösse von uns Menschen, auch den letzten Abschnitt mitzugehen ohne zu klammern. Loslassen ist immer ein schmerzhafter Prozess, egal wie lange man Zeit hatte, sich mental darauf vorzubereiten. Die Trauer darf und soll Platz haben.»

Andrea: «Der Prozess des Abschieds beginnt schon während wir unser Tier altern sehen. Traurigsein ist ein ganz wichtiger Bestandteil des Abschiednehmens. Wir sollten die Trauer nicht verdrängen. Es ist wichtig, den Schmerz anzunehmen. Der Hund ist gestorben, aber die Liebe zu ihm stirbt nie.»

Marianne: «Menschen halten gerne fest und haben Angst vor Verlusten. Wir versuchen, die Trauer zu vermeiden. Der Abschied ist ein schwieriger Prozess, in den wir uns hineinbegeben müssen, aber wir sollten das ganz bewusst und achtsam tun. Genau so bewusst und achtsam, wie wir mit unserem Hund gelebt haben.»

Ich danke euch für das Gespräch.

Autorin: Anna Dieckmann